Nachricht | Westeuropa - Westafrika Antiterrorkampf in der Sahelzone

Wie die französische Aufstandsbekämpfungsstrategie gescheitert ist

Information

Ein französisches Transportflugzeug auf einem Rollfeld, davor Soldaten mit Gepäck.
Beginn des französischen Truppenabzugs aus Mali im Frühjahr 2022 Foto: IMAGO / ABACAPRESS

Der französische Militäreinsatz gegen dschihadistische bewaffnete Gruppen (im Folgenden DBG), der am 11. Januar 2013 in Mali begann, hat sich als Fehlschlag erwiesen. Zwar konnten die Gruppen zunächst zurückgedrängt werden, bevor sich die Intervention auf Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad ausdehnte. Das sind die fünf Staaten, die sich im Rahmen der G5 Sahel dem Kampf gegen den Terrorismus angeschlossen haben. Doch die eigentlichen Ziele des französischen Einsatzes, die Beschränkung der Operationsfähigkeit der DBG und die Wiederherstellung der militärischen Autorität und Macht der Sahelstaaten, wurden nicht erreicht. Nach über zehn Jahren haben die Dschihadisten nichts von ihrer Schlagkraft eingebüßt, wie ihre mörderischen Angriffe 2023 in Mali und Burkina Faso bezeugen. Die Militärputsche in diesen beiden Ländern und jüngst in Niger zeigen, dass das Ziel der politischen Stabilisierung noch lange nicht erreicht ist. Die Bevölkerung und die Regierungen kritisieren die Ineffizienz der französischen Intervention und werfen Frankreich vor, deren Souveränität zu verletzen. Infolgedessen war das französische Militär 2022 zum Abzug der Truppen aus Mali und 2023 aus Burkina Faso und Niger gezwungen.

François Gire hat öffentliches Recht an der Université Toulouse Capitole studiert. Derzeit absolviert er einen Masterstudiengang in War and Conflict Studies an der Universität Potsdam. Er beschäftigt sich aktuell mit der Geschichte des gesellschaftspolitischen Verständnisses bewaffneter Konflikte, insbesondere bei Carl von Clausewitz.

Wie kommt es, dass die größte Entsendung seit dem Algerienkrieg ohne greifbare Ergebnisse geblieben ist? Eine Analyse des Einsatzes im Lichte seiner Strategien zur Aufstandsbekämpfung liefert Elemente für eine Antwort. Die während der Kolonialzeit und des Kalten Kriegs entwickelte Strategie begreift Aufstandsbekämpfung mehr als politisches denn als militärisches Unterfangen. Sie berücksichtigt grundsätzlich die Spannungen, die eine krisengeschüttelte Gesellschaft durchziehen, sowie die «Bedürfnisse», die die Bevölkerung dazu veranlassen, die Aufständischen zu unterstützen. Nach einer Analyse dieser Faktoren der Konfliktsituation, sollen entsprechende politische Reformen die breite Unterstützung für die Rebellen unterminieren.

In der Sahelzone hat allerdings die ideologisch geprägte französische Wahrnehmung der Dschihadisten die Analyse der Gründe für den Aufstand und der von den Aufständischen genutzten Unzufriedenheit der Bevölkerung behindert. Gemeinsame politische und wirtschaftliche Interessen Frankreichs und der Regierungen der Sahelstaaten stehen effektiven Maßnahmen zur Bekämpfung der DBG entgegen. Der Militäreinsatz in Mali war zum Scheitern verurteilt. Bevor keine Lehren aus dieser Niederlage gezogen und die Ursachen für den Erfolg des Terrorismus in der Sahelzone nicht verstanden werden, wird sich die Krise nur schwer lösen lassen.

Die französische Aufstandsbekämpfungsstrategie: Ursprünge in der Kolonialzeit

Bei seiner Befragung vor der Nationalversammlung am 23. Januar 2020 präsentierte General François Lecointre, Chef des französischen Generalstabs, die in der Sahelzone verfolgte Stabilisierungsstrategie als «eine Krisenbewältigungsstrategie, die sich auf die Bevölkerung und ihre Wahrnehmung der Krisenentwicklung konzentriert». Er unterstrich, dass die auf die Bevölkerung gerichtete Strategie des französischen Militärs ein Erbe der Kolonialzeit sei. In Algerien, Indochina und anderen Ländern hatten Generäle wie Lyautey oder Gallieni eine Form der Kriegsführung entwickelt, die auf die Befriedung der neuen Kolonien durch Eroberung «der Herzen und Köpfe» ihren Bewohner*innen abzielte. Die «Befriedung» erfolgte durch Operationen, die die Bevölkerung terrorisieren und so ihren Widerstandsgeist brechen sollten (Razzien), aber auch durch Maßnahmen, die vom Nutzen der Kolonisation überzeugen und die Akzeptanz der neuen Autorität fördern sollten. In Algerien wurden beispielsweise «Arabische Büros» geschaffen, die Verwaltungsaufgaben übernahmen und die Bevölkerung mit bestimmten Diensten versorgten.

Im Verlauf der Dekolonisation und des Kalten Kriegs entwickelte sich die Aufstandsbekämpfungsstrategie weiter, blieb aber auf die Bevölkerung konzentriert: Ziel war es, «menschliches Terrain» zu erobern (wie es beim Militär heißt), um den Aufstandsbewegungen den Rückhalt der Bevölkerung zu entziehen. Wenn sich für Mao Zedong der Revolutionär im Volk bewegen muss wie ein Fisch im Wasser, so war es für das französische Militär wichtig, ein Vakuum um den Fisch herum zu erzeugen, um ihn zu ersticken. Während des Indochina- und des Algerienkriegs verliehen die zu diesem Zweck eingesetzt Mittel dem Aufstandsbekämpfungskrieg einen zunehmend politischen Charakter. Da die politische Situation vor dem Aufstand als seine Ursache aufgefasst wurde, musste dessen Bekämpfung Reformen veranlassen, die diese politischen Gründe des Aufstands aufhoben. Während des Algerienkriegs betonte Oberstleutnant David Galula die Bedeutung eines «klaren Ziels» und einer «ideologischen Grundlage» der Aufstandsbekämpfung: «Vernunft und Zweckmäßigkeit […] verlangen, dass der Aufstandsbekämpfende sich mit einem politischen Programm [und einer entsprechenden Partei] ausstattet». So entwickelt sich der Aufstandsbekämpfungskrieg tendenziell zu einem ideologischen und politischen Wettbewerb zwischen den Aufständischen und der Kolonialmacht. Jedes Lager wappnet sich mit einem konkurrierenden Gesellschaftsmodell, das die Bevölkerung hinter sich versammeln soll, um den Gegner zu isolieren. In der Praxis übersetzte sich diese Strategie in Maßnahmen, die auf die mutmaßlichen Bedürfnisse der Bevölkerung ausgerichtet waren. In Algerien wurden «Sonderverwaltungsabteilungen» eingerichtet, die Infrastruktur aufbauten und Dienstleistungen für die Kolonisierten anboten. Reformen, die den algerischen Frauen mehr Rechte einräumten, sollten sie von der Fürsorge der Kolonialmacht überzeugen. Allerdings spielten Terror (Folter) und Manipulation (Propaganda) eine ebenso wichtige Rolle bei der Gewinnung breiter Unterstützung.

Aufstandsbekämpfung unter postkolonialen Bedingungen

Mit der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien in den 1960er Jahren und dem Ende des französischen Kolonialreiches musste die Aufstandsbekämpfung an die neuen postkolonialen Bedingungen angepasst werden. Frankreich ging es bei den Interventionen in den nun unabhängigen afrikanischen Staaten nicht mehr darum, «die eigene Legitimität zu festigen und der eigenen Herrschaft Vorschub zu leisten», sondern «um die Konsolidierung einer Gastnation. Und das bedeutet, dass viele der politischen Aktivitäten, die die Kolonialarmeen entfalteten, nicht mehr angemessen sind» (Shurkin 2021). Wenngleich die Ursachen für Aufstände weiterhin gesellschaftspolitisch definiert werden, verlieren die Maßnahmen, die zu ihrer Bewältigung ergriffen werden, ihren früheren Charakter. An die Stelle des Aufbaus von Infrastruktur oder (begrenzter und opportunistischer) Reformversuche, tritt nun der Umbau von Armee und Verwaltung, um deren Ethik und Regierungspraktiken zu verbessern. Im April 2013 veröffentlichte das Centre interarmées de concepts, de doctrines et d’expérimentations des französischen Verteidigungsministeriums unter dem Titel «Contre-insurrection» (Aufstandsbekämpfung) ein Dokument, in dem es die postkoloniale Form der Aufstandsbekämpfung definiert. Es handelt sich weiterhin um eine politische Strategie zur Wiederherstellung der Legitimität der Regierung, die die Unruhen verursacht hat, mit Hilfe konkreter Reformen, die darauf abzielen, eine breite Unterstützung in der Bevölkerung zurückzugewinnen und die Aufständischen an den Rand zu drängen. Die Übertragung des politischen Aspekts der Aufstandsbekämpfung an den «Gaststaat» stellt einen Bruch mit dem kolonialen Ansatz dar. Von nun an «kann nur eine in den Augen der Gastnation legitime autochthone Macht ein solches politisches Alternativprojekt durchführen». Die französischen Interventionsstreitkräfte sind nun vor Ort, um einem souveränen Staat die Möglichkeit zu bieten, Reformen einzuführen.

Auch wenn die heutige französische Doktrin die für die Kolonialzeit charakteristische direkte politische Intervention aufgegeben hat und sich auf militärische Operationen konzentriert, transportiert sie immer noch ein politisches Verständnis von Aufständen. Die Vorstellung, dass die Aufstände durch die Politik der von ihnen in Frage gestellten Regierungen verursacht werden und durch Reformen zu bekämpfen sind, rückt die französische Doktrin in die Nähe einer «positivistischen» Auffassung von Konflikten. Danach bieten Konflikte eine Gelegenheit, bestehende Spannungen innerhalb der Gesellschaft zu lösen. Ein wesentliches Mittel, um die Legitimität des Staates zu stützen und dem alternativen politischen Angebot der Aufständischen seine Anziehungskraft zu nehmen, besteht darin, die Bedürfnisse der Bevölkerung, die sich im Aufstand ausdrücken, zu identifizieren und auf sie einzugehen.

Seit 2013 werden die Bedürfnisse der Bevölkerungsgruppen in der Sahelzone vor allem im Sinne «physischer» Sicherheit verstanden, wie der überwiegend militärische und sicherheitspolitische Charakter der von den Sahelstaaten durchgeführten Reformen zeigt. Mit Unterstützung internationaler Partner ging es vor allem um die Reorganisation und Ausbildung der Streitkräfte, während die französischen Truppen versuchten, die DBG auszuschalten. Dieser Ansatz entspricht einem engeren Verständnis von Sicherheit, das im Gegensatz zu dem umfassenderen Konzept von «menschlicher Sicherheit» steht. Danach beschränkt sich die Sicherheit eines Staates nicht auf die physische Unversehrtheit seiner Grenzen, seiner Akteure und der Menschen, die seiner Verwaltung unterstehen. Vielmehr muss auch die wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung, gemessen an der Einhaltung der Menschenrechte und ihrer Entwicklungslage, berücksichtigt werden. Diese Perspektive hätte den Entscheidungsträger*innen aus Frankreich und den Sahelstaaten ein besseres Verständnis für die von den DBG ausgenutzten Bedürfnisse der Bevölkerung verschaffen können, die in ihrer Aufstandsbekämpfungsstrategie eine so zentrale Rolle spielen. Doch ideologische, ökonomische und politische Faktoren standen dem entgegen.

Der Dschihad in der Sahelzone aus Perspektive der Terrorismusbekämpfung

In der Sahelzone nehmen Frankreich und seine afrikanischen Verbündeten die DBG aus der Perspektive einer «Antiterror»-Ideologie wahr, die die Ursachenanalyse des gegnerischen Erfolgs in eine falsche Richtung lenkt. Dieser ideologische Faktor ist entscheidend, da er durch die Betonung der religiösen Dimension des Aufstands die politischen und sozialen Ursachen für die Ausbreitung des Dschihadismus in den Sahelstaaten ausblendet.

Die von Frankreich vertretene Sicht auf die DBG der Sahelzone lässt sich als eine französische Variante des «Kriegs gegen den Terror» verstehen, den die USA nach den Attentaten vom 11. September 2001 führten. Die Dschihadisten werden als «brutale» und «fanatische» Mitglieder einer globalen antidemokratischen Bewegung dargestellt. Ihre Fähigkeit Mitglieder zu werben wird der Wirksamkeit ihrer Kommunikation zugeschrieben: Die «Globalisierung und Verbesserung der Informationstechnik» ermöglichten es ihnen, ihre Botschaften massenhaft zu verbreiten und «kognitive Strategien» einzusetzen, um neue Mitglieder zu gewinnen. Die westliche Betonung der Ideologie macht den Kampf gegen den Terrorismus zu einem «Kampf der Kulturen»: Es gehe darum, die dschihadistischen «Gräuel» «auszumerzen», um die liberalen Werte zu verteidigen. Die Ideologie als einzige Triebkraft der DBG zu betrachten, trägt zur Entpolitisierung des strategischen Denkens bei und macht blind für die gesellschaftspolitischen Gründe ihres Erfolgs.

Verstärkt wird dies durch die Vorstellung, dass der Dschihadismus in der Sahelzone ein «ausländisches Phänomen» darstelle, der «von externen Akteuren organisiert und gesteuert wird oder auf einer ‹ausländischen Ideologie› basiert». Die Dschihadisten seien von islamischen Strömungen (Salafismus, Wahhabismus) inspiriert, die auf der arabischen Halbinsel ihren Ursprung haben, die dem als friedlich geltenden Islam der Sahelzone (Sufismus) entgegenstehen. Eine solche Sichtweise verstärkt die Vorstellung, es mit einem Kampf gegen eine globale terroristische Bewegung zu tun zu haben, und unterschlägt die Bedeutung der lokalen Bedingungen. In Westafrika ist das nichts Neues. Schon in der Kolonialzeit und während des Kalten Kriegs haben die französische Regierung und Armee Aufstände, ob religiöser Natur oder nicht, oft «in Überinterpretation externer Faktoren» als Machenschaften ausländischer Akteure denunziert.

Die Betrachtung der DBG als Akteure, die durch fremde Ideologien angetrieben werden, bedeutet, die Bedürfnisse der Sahelbevölkerung auszublenden. Aufgrund einer ideologischen Perspektive, die «alle nichtmilitärischen Alternativen» der Konfliktlösung «einschränkt, wenn nicht ausschließt», werden die Dschihadisten vor allem als Bedrohung für die physische Sicherheit der Bevölkerung wahrgenommen. Die Reaktion besteht im Wesentlichen darin, die DBG zu vernichten, um den Sahelstaaten Raum und Zeit zu verschaffen, ihre nationalen Streitkräfte zu reformieren, ehe sie wieder die Kontrolle übernehmen. Die Ausbildung der malischen Streitkräfte, deren Schwäche als eine der Ursachen für den anfänglichen Erfolg der Dschihadisten gilt, wurde «mit großem Aufwand» betrieben und führte bis 2023 zur Entsendung mehrerer europäischer und französischer Missionen (EUTM, Takuba). Zwischen 2013 und 2018 ist das malische Militärbudget von 6 auf 22 Prozent der Staatsausgaben gestiegen. Diese Bemühungen hatten keine spürbaren Auswirkungen auf die sich ständig verschlechternde Sicherheitslage. Tatsächlich reichen solche Maßnahmen unmöglich, um die von der Antiterrorideologie verdeckten gesellschaftspolitischen Probleme zu lösen, die zum Erfolg der DBG beitragen.

Geschichte und gegenwärtige Ursachen des Dschihadismus in Westafrika

Ein historischer Blick auf den Dschihad in der Sahelzone widerlegt den Antiterrordiskurs, der dieses Aufstandsphänomen als neu und aus dem Ausland importiert darstellt. Von Senegal über Burkina Faso bis Niger gilt das 19. Jahrhundert als ein «goldenes Zeitalter» der «islamischen Revolten». Zahlreiche westafrikanische Staaten wurden von religiösen Führern gegründet oder während des Dschihads geschaffen (Emirat von Liptako, Segu-Tukulor-Reich, Kalifat von Sokoto usw.). Die «mahdistischen» religiösen Aufstände verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, blieben aber «alle kurzlebig und kaum miteinander verbunden». Häufig zielten diese Aufstände auf die Schaffung einer regionalen oder globalen «Umma» (Gemeinschaft der Gläubigen) ab, richteten sich aber gleichzeitig gegen eine als tyrannisch empfundene politische Autorität und stellten das bestehende Steuersystem oder die soziopolitische Ordnung in Frage. Die islamische Rhetorik ist, wie ihre Verwendung durch Akteure mit zum Teil gegensätzlichen Interessen zeigt, vor allem ein Mittel zur Legitimierung von Gewaltanwendung und zur Mobilisierung über gemeinschaftliche und gesellschaftliche Spaltungen hinweg. «Die islamische Religion bildete den Kitt der großen Sahel-Reiche des 19. Jahrhunderts» (Pérouse de Montclos 2021), strukturierte aber auch die gegen sie gerichteten Revolten, bevor sie sich mit den nationalen und antikolonialen Forderungen gegen die französische Herrschaft verband. Historisch gesehen sind die religiösen Aufstände in Westafrika also nicht nur durch islamischen Radikalismus motiviert. Wie in der Vergangenheit bedienen sich heute «‹dschihadistische Unternehmer›» in der Sahelzone einer religiösen Ideologie, «die an die sozialen und politischen Gegebenheiten vor Ort angepasst ist» (Ibrahim 2019).

Die DBG tauchten in der Sahelzone mit der Ankunft algerischer Islamisten auf, die in die Sahara zurückgewichen waren und unter anderem 2007 Al-Qaida im Maghreb gegründet hatten. Im Bündnis mit separatistischen Tuareg gelang es ihnen nach der Nato-Invasion in Libyen 2011, den Norden Malis 2012 unter ihre Gewalt zu bringen. Seit 2015 haben sich auch Gruppen in Zentralmali formiert und etabliert. 2022 gelang es ihnen, so weit vorzurücken, dass sie für die Ernährungssicherheit der Hauptstadt Bamako notwendige Regionen bedrohten. Zahlreiche Studien und Gespräche des Autors belegen, dass die Faktoren, die «eine große Zahl von Menschen aus verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Milieus und mit unterschiedlichen Motivationen» (FIDH 2022) in die Arme der DBG treiben, oft materieller oder sicherheitspolitischer Natur sind und sich aus der Politik der Sahelstaaten ergeben.

Die DBG wissen die materiellen Bedürfnisse der Bevölkerung auszunutzen, indem sie denjenigen, die sich ihnen anschließen, genug bieten, um ihren täglichen Bedarf zu decken, ihre soziale Situation zu verbessern oder sogar eine Mitgift für eine Hochzeit zu zahlen. Indem sie Kontrolle über die illegalen Handelsnetze (Waffen, Drogen, Zigaretten usw.) der Sahelzone übernehmen, sichern sie sich Einkommensquellen und nehmen zugleich diejenigen unter ihren Schutz, die davon leben. Trotz ihrer patriarchalen Ideologie profitieren auch Frauen von ihrer Präsenz in der Region, indem sie als Haushälterinnen beschäftigt werden. In den ländlichen Gebieten verschärfen die Klimakrise und die unzulängliche Regierungspolitik die Armut und schaffen Konflikte, in die die DBG eingreifen. In Zentralmali haben Landnutzungskonflikte zu Zusammenstößen zwischen Ackerbau treibenden Dogon und viehzüchtenden Fulbe geführt. Aufgrund fehlender staatlicher Autorität haben sich letztere zum eigenen Schutz zunächst an die Dschihadisten gewandt, und waren dann bei der Rückkehr der (von lokalen Milizen unterstützten) malischen Armee erhöhter Gewalt ausgesetzt. Dies hat zu einer massiven Rekrutierung von Fulbe durch die DBG geführt.

Die von den Sahelstaaten hervorgebrachte Armut und Unsicherheit bieten also ökonomische und sicherheitspolitische Gelegenheiten, die von den DBG genutzt werden. Deren alternative Führung wird von der Bevölkerung (zumindest zeitweise) akzeptiert, so dass sie Fuß fassen können. Gemäß dem in der Aufstandsbekämpfungsstrategie vertretenen Verständnis von Aufständen, resultiert der Erfolg bewaffneter Gruppen aus Lücken in der politischen Machtausübung. Um ihre Autorität und den Frieden wiederherzustellen, müssen die Sahelstaaten und ihre Partner auf die ökonomischen und sozialen Bedürfnisse eingehen, die der Krise zugrunde liegen, und so den Aufständischen den Nährboden entziehen. Letztlich aber haben die Regierungen der Sahelstaaten und ihrer internationalen Partner kein Interesse daran, die für den Dschihadismus ursächlichen wirtschaftlichen und politischen Strukturen tiefgreifend zu verändern – denn sie profitieren im Allgemeinen davon.

Zu den Ursprüngen der Krise: unterentwickelte Ökonomien in Stagnation

In der Sahelzone «beinhaltet das Gefühl der Unsicherheit auch die Angst vor der Armut» (Keita 2021). Die schwierige wirtschaftliche Lage muss mit der Entwicklung der Sicherheitskrise in Verbindung gebracht werden. Es fällt auf, dass Mali, Burkina Faso und Niger auf den letzten Plätzen des Indexes der menschlichen Entwicklung der UN rangieren (PNUD 2022). Nach Angaben der Weltbank liegt der Anteil der zwischen 15- und 24-Jährigen, die weder arbeiten noch zur Schule gehen oder eine Ausbildung absolvieren, in Mali bei 30,9 Prozent (2020), in Burkina Faso bei 41 Prozent (2018) und in Niger bei 68,6 Prozent (2017). Die schlechte wirtschaftliche Lage, die sich in diesen Statistiken widerspiegelt, ist eine Folge der Unterentwicklung der Sahelländer, die wiederum mit ihren historischen Beziehungen zu externen Partnern wie Frankreich und den internationalen Finanzinstitutionen zusammenhängt.

Während der Kolonialzeit organisierte Frankreich die Ökonomie seiner westafrikanischen Kolonien zum eigenen Vorteil. Im Landesinneren ermöglichte ein Konzessionssystem die Einrichtung privater Industriezonen zur Gewinnung von Rohstoffen, die über die Küstengebiete ins Mutterland exportiert wurden (Cross 2021). Anfang der 1960er Jahre wurden die französischen Kolonien unter der Bedingung in die Unabhängigkeit entlassen, dass sie «Kooperationsabkommen» unterzeichneten, die bis heute eine Form der finanzwirtschaftlichen Herrschaft durch den CFA-Franc festschrieben (FCA stand zunächst für colonies françaises d’Afrique, also «Französische Kolonien in Afrika», später für communauté financière africaine, «Afrikanische Finanzgemeinschaft») (Coburger 2021). Der Zinssatz dieser Währung, der zum Teil von Frankreich bestimmt wird, lenkt die Investitionen der Länder der Franc-Zone «kurzfristig auf den Bedarf an Grunderzeugnissen und auf den Export statt auf Industrialisierung und Entwicklung» (Cross 2021). So gelingt es den westafrikanischen Staaten nicht, mit dem auf Rohstoffexport ausgerichteten Wirtschaftsmodell zu brechen, das sie zur wirtschaftlichen Marginalisierung verdammt.

In den 1980er und 1990er Jahren setzten internationale Finanzinstitutionen wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank neoliberale Politiken in den afrikanischen Staaten durch. Im globalen Rahmen einer konservativen Wirtschaftsrevolution wurden ihre Ökonomien durch Strukturanpassungsprogramme, die die Öffnung der Märkte und den Abbau staatlicher Regulierung förderten, zusätzlich geschwächt. Dabei wäre für die Entwicklung dieser Länder eine gewisse Finanzsteuerung in den Schlüsselsektoren erforderlich, damit sie die Rolle des Rohstoffexporteurs hinter sich lassen können, die zur Unterentwicklung führt. Als Bedingung für Kredite, die das Wachstum ankurbeln sollten, verwandelten die Strukturanpassungsprogramme Afrika in ein «Laboratorium des Neoliberalismus unter Komplizenschaft […] seiner eigenen Eliten» (Nubukpo 2019). Die Konsequenzen dessen spiegeln sich in der jetzigen wirtschaftlichen Situation der jeweiligen Länder.

Die Rolle der Regierungsführung in den Sahelstaaten

Die zum Teil von Frankreich und den internationalen Finanzinstitutionen aufgezwungenen Wirtschafts- und Währungsstrukturen, die für Unterentwicklung und Armut verantwortlich sind, bleiben auch aufgrund des Regierungshandelns in den Sahelstaaten bestehen. Die Regierungen sind zwar von der Export-Wirtschaft abhängig, die praktisch ihre einzige Quelle für Staatseinnahmen darstellt, haben aber gleichzeitig ein Eigeninteresse daran. Mit den Worten eines IWF-Mitarbeiters, der für die Umsetzung der Strukturanpassungsprogramme verantwortlich war, haben diese «die Länder gleich arm, aber mit größerer Schuldenlast und reicherer Führungselite zurückgelassen».

Der Umgang der Regierungen mit ihrem Territorium und ihrer Bevölkerung umgehen, führt zu weiteren Spannungen, die zur Krise beitragen. Bestimmte Regionen wurden von staatlichen Institutionen aufgegeben. Mali, Niger und Burkina Faso sind alle durch ein Ungleichgewicht bei öffentlichen Investitionen geprägt, die nicht in den unterentwickelten Norden, sondern in einen um die Hauptstädte herum organisierten «nützlichen Süden» fließen. Diese geografische «Spaltung» ist eine Quelle alter Konflikte und deckt sich teilweise mit ethnischen Differenzen. Wo wiederum staatliche Institutionen präsent sind, wurden Bevölkerungsgruppen ihrem teilweise räuberisch oder parteiisch und gewaltvollem Handeln ausgesetzt. So haben sich die malischen und tschadischen Streitkräfte im Rahmen des Antiterrorkampfs zahlreicher Übergriffe gegen Zivilist*innen, insbesondere gegen Fulbe, schuldig gemacht.

Die Regierungen der Sahelstaaten und ihre ausländischen «Partner» sind somit mitverantwortlich für die Entwicklung der aktuellen Sicherheitskrise. Ihre Wirtschafts-, Verwaltungs- und Sicherheitspolitik stellt eine Ursache für die Armut und Unsicherheit dar, die die DBG ausnutzen, um sich dort festzusetzen. Angesichts der wirtschaftlichen Situation der Region scheinen Reformen hin zu einer systemischen Alternative zu CFA-Franc und Neoliberalismus notwendig, um eine endogene Entwicklung zu ermöglichen. Auf diese Weise könnten die Staaten die finanzielle und ökonomische Kraft bekommen, ihre öffentlichen Dienste umzustrukturieren um auf die «Bedürfnisse der Bevölkerung» einzugehen, deren Vernachlässigung den Aufständen den Boden bereitet hat. So würden folglich die Regierungen ihre Legitimität wiedererlangen und einen Weg aus der Krise finden.

Kontraproduktive Auswirkungen der französischen Intervention

Die von Frankreich geleistete Militärhilfe hat in der Sahelzone Regierungen gestärkt, deren Handeln die Krise nährt, anstatt sie zu einer Änderung ihrer Politik zu bewegen. Dies hängt mit der ideologischen Perspektive der Terrorbekämpfung zusammen, die die militärische Antwort legitimiert und die gesellschaftspolitischen und ökonomischen Faktoren des Konflikts ausblendet. Dieses Vorgehen steht im Widerspruch zu den Zielen der Aufstandsbekämpfung, ermöglicht aber den Regierungen der Sahelzone, sich an der Macht zu halten, und Frankreich, seine Verbündeten zu behalten. Im Tschad hat die autoritäre Déby-Dynastie, Pfeiler des «Antiterrorkampfs», politische und militärische Unterstützung von Frankreich erhalten. Für die tschadischen und malischen Behörden, denen erhebliche finanzielle Mittel für die Terrorbekämpfung zugutekommen bzw. -kamen, wirft bzw. warf der Kampf gegen die DBG eine regelrechte «Rendite» ab. Achtung der demokratischen Werte ist keine unabdingbare Voraussetzung für französische Hilfe. Diese hängt vor allem davon ab, ob die Interessen der Regierungen der Sahelzone mit französischen Interessen übereinstimmen. Nachdem die französische Strategie des Antiterrorkampfs scheiterte, eroberten Juntas in Mali, Burkina Faso und Niger die Macht, setzten den Abzug der französischen Truppen durch und begannen, den Kampf selbst zu steuern. Diese Militärputsche wurden aus Paris als Angriffe auf die Demokratie verurteilt, während Frankreich die pro-westliche tschadische Herrschaft immer noch als alliiert betrachtet.

Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Frankreich und der Sahelzone ist symptomatisch für einen weiteren Effekt der Intervention: Trotz der Unterstützung der Regierungen trug sie zur Schwächung von deren Souveränität bei. Dieser Unterminierungseffekt ist auf Allianzen zurückzuführen, die Frankreich mit lokalen bewaffneten Gruppen einging. Die Rekrutierung von Truppen aus der Bevölkerung des Aufstandsgebiets und das Verbünden mit lokalen bewaffneten Gruppen sind alte Elemente der Aufstandsbekämpfung, die bereits in Indochina, Algerien und im Tschad angewandt wurden. In Mali hat Frankreich unter den Tuareg «nichtstaatliche bewaffnete Gruppen rekrutiert», die «seither die zentralen und nördlichen Regionen regieren» (Charbonneau 2020). Diese Allianzen laufen jedoch den Zielen der französischen Strategie zuwider, da sie «lokale und subregionale politische Einheiten [schaffen], deren Existenz dem erklärten Ziel, die Autorität des malischen Staats wiederherzustellen, entgegensteht», was sich aktuell in Auseinandersetzungen zwischen der Junta und den Tuareg widerspiegelt.

Auch wenn die Folgen der militärischen Intervention zu den öffentlich verkündeten strategischen Zielen im Widerspruch stehen, legitimiert die Verlängerung der gegenwärtigen Krise die weitere französische Militärpräsenz in der Region. Denn in einer Zeit, in der die Großmachtkonkurrenz auf dem afrikanischen Kontinent zunimmt, kann Frankreich seine Militärpräsenz in einem Gebiet von großer strategischer Bedeutung aufrechterhalten: Die französischen Streitkräfte bleiben im Tschad und in ihren Stützpunkten im Senegal und in der Elfenbeinküste verankert. Damit bleibt Frankreich militärisch in einer Region verwurzelt, die für seine Wirtschaft und Energieversorgung essentiell ist, wie ein Bericht des französischen Senats aus dem Jahr 2013 über die französische Präsenz in Afrika unterstreicht.

Entwicklungsperspektiven

Ungeachtet einer Strategie, die auf der Analyse der Bedürfnisse der Bevölkerung beruht, lassen die französischen und afrikanischen Entscheidungsträger*innen nur ein begrenztes Verständnis für die Ursachen des Erfolgs der DBG in der Sahelzone erkennen. Indem sie die manichäische Logik des «Krieges gegen den Terror» reproduzieren, führen sie den Erfolg der Aufstände auf eine importierte religiöse Ideologie zurück, während die Motive der dschihadistischen Kämpfer weitgehend auf lokalen materiellen und sicherheitspolitischen Umständen beruhen, die sich aus der Politik der Sahelstaaten und ihrer ausländischen Partner ergeben. Um diese zugrundeliegenden Ursachen anzugehen, müssten langfristige wirtschaftliche und politische Reformen durchgeführt werden, die die Staaten in die Lage versetzen, ihre öffentlichen Dienste wieder aufzunehmen und eine integre Regierungsführung zu etablieren, um ihre Legitimität zurückzuerlangen. Abgesehen von ideologischen Faktoren waren es letztlich die wirtschaftlichen und politischen Interessen Frankreichs und der Regierungen der Sahelzone, die diese Reformen und damit den Kampf gegen die DBG zum Scheitern brachten.

Wenngleich die Juntas der Sahelzone erklären, sie wollen mit der ehemaligen Kolonialmacht brechen, um die Krise eigenständig zu bewältigen, zeigt die von Russland unterstützte blutige Offensive der malischen Streitkräfte in Zentralmali im Jahr 2021, dass Waffengewalt ihre bevorzugte Antwort bleibt. Staatliche Gewalt setzt sich mit russischer Hilfe als «Stütze fragiler und marginalisierter Regime» fort. In Burkina Faso hat Hauptmann Ibrahim Traoré zwar die zentrale Rolle der Wirtschaft im «Kampf für vollständige Unabhängigkeit» hervorgehoben. Doch wird es ihm gelingen, sein Land aus der «untergeordneten Position» zu befreien, in die es die «internationale Arbeitsteilung» gedrängt hat? In Niger haben die Militärs Ali Lamine Zeine, den wirtschaftlichen Architekten des nigrischen Neoliberalismus der 2000er Jahre, zum Ministerpräsidenten ernannt.

Wenn Frankreich dagegen in der Sahelzone präsent bleiben will, darf es sich möglichen Reformen, die die Souveränität und Entwicklung der Staaten der Region fördern, nicht entgegenstellen. Beziehungen, die auf Respekt und Gegenseitigkeit beruhen, werden französische Interessen besser schützen als die Kooptierung von Eliten, monetäre und wirtschaftliche Dominanz oder militärische Interventionen, die von der Bevölkerung immer weniger toleriert werden.

Übersetzung von Daniel Fastner für Gegensatz Translation Collective